
Württemberger Zeitung – neu in den Digitalen Sammlungen der WLB
Am 7. September 1907 erschien in Stuttgart eine neue Zeitung mit dem Titel Württemberger Zeitung. Gegründet wurde sie von den Zeitungsverlegern Gustav Fuchs (1857–1929), der ursprünglich aus Heilbronn stammte, August Huck (1849–1911) und August Madsack (1858–1933). Schon einige Tage zuvor brachte die neue Zeitung eine Vorankündigung heraus, die in der erstaunlich hohen Auflage von 120.000 Exemplaren gedruckt und verbreitet wurde.
Die neue Zeitung wurde darin als „politisches Organ von vornehmer Haltung“ und als parteiübergreifend beschrieben – mit der national-konservativen Einschränkung: „Treue zu König und Kaiser zum engeren und weiteren Vaterland!“ Neben der Reichs-, Landes- und Kommunalpolitik gab es die Rubriken Wirtschaft, Unterhaltung, Frauenwelt, Technik, „Briefkasten“ (für Leserbriefe), Gerichtswesen, Gesundheit, Familie und Sport. In ihrer Vorankündigung beschrieb die Zeitung auch in aller Ausführlichkeit ihr neu erbautes Verlagsgebäude in der Hospitalstraße 12. Erbauer war die Architektengemeinschaft Bihl & Woltz. Von der Anzeigenannahme über die Redaktion, die Setzerei, die Druckerei bis hin zum Versandraum war der gesamte Betrieb der Zeitung in diesem Gebäude untergebracht. Alles war äußerst modern gehalten, bis hin zu einer „Stuttgarter Erfindung“, den „automatisch spülenden Spucknäpfen“.
Bis Ende 1908 hatten knapp 60.000 Leserinnen und Leser die Zeitung abonniert, im Jahr 1913 veröffentlichte die Zeitung insgesamt fast 230.000 Anzeigen. Ein Jahr später wurde die Württemberger Zeitung in ein gemeinsames Unternehmen mit dem vormaligen Konkurrenten, dem Stuttgarter Neuen Tagblatt überführt, beide Zeitungen erschienen aber weiterhin parallel. Seitdem stand die Zeitung unter der Leitung des Direktors Eugen Deppe (1877–1933).
In einem Rückblick zum 20-jährigen Bestehen wurde die republikfreundliche Haltung der Württemberger Zeitung nach 1918 deutlich. Sie verbreitete gerade nicht die Lüge der sogenannten „Dolchstoßlegende“ weiter, vielmehr hieß es, in der Revolution von 1918 hätten diejenigen, „die bis dahin in der ersten Reihe standen, kläglich versagt“. In der Errichtung der Weimarer Republik habe man „eine geschichtliche Notwendigkeit“ gesehen und sich „ohne Vorbehalt zu der Verfassung von Weimar bekannt.“
Dementsprechend erschien zum 25-jährigen Jubiläum am 7. September 1932 eine 72 Seiten starke Beilage mit zahlreichen Beiträgen prominenter liberaler Autoren aus Politik, Wissenschaft und Kultur, unter ihnen zum Beispiel der damalige Reichstagsabgeordnete und spätere Bundespräsident Theodor Heuss (1884–1963) oder Reinhold Maier (1889–1971), damals württembergischer Wirtschaftsminister und nach dem Zweiten Weltkrieg erster Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Der Chefredakteur August Kemper (1870–1945) schrieb in dieser Festausgabe fast prophetisch: „In den heillosen politischen Wirren sind Diktaturbestrebungen aufgekommen, und sie vertragen sich mit einer freien Presse grundsätzlich nicht. […] Die Pressefreiheit gilt heute nicht mehr viel, und sie ist ganz unsicher geworden“. Nur wenige Monate später sollte die Aufhebung der Pressefreiheit in der NS-Diktatur Wirklichkeit werden.
Wie zahlreiche andere Tageszeitungen wurde auch die Württemberger Zeitung nach der sogenannten „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten „gleichgeschaltet“ und diente als Propagandainstrument der NS-Machthaber. Die Zeitung erschien – anders als andere Stuttgarter bzw. württembergische Zeitungen – bis in die letzten Tage des NS-Regimes hinein und stellte erst mit dem 20. April 1945 ihr Erscheinen ein.
Leider fehlen der Württembergischen Landesbibliothek aus der Zeit des Nationalsozialismus mehrere Jahrgänge der Württemberger Zeitung und auch die vorhandenen Jahrgänge sind zum Teil nur unvollständig überliefert. Durch die weitgehende Zerstörung der Bibliothek bei einem Bombenangriff 1944 hat die WLB bis heute erhebliche Lücken gerade bei den württembergischen Zeitungen vor 1945. Die erhalten gebliebenen Bestände der Württemberger Zeitung sind nun digitalisiert und über die Digitalen Sammlungen der WLB abrufbar.
Zu den Volltexten
> Württemberger Zeitung: Jahrgangsübersicht
> Die Württemberger Zeitung ist auch über das Deutsche Zeitungsportal abrufbar.
Weiterführende Informationen
Abbildungen
Abb. 1: Anzeige der Württemberger Zeitung in der Badischen Presse vom 4. Dezember 1931
Abb. 2: Gebäude der Württemberger Zeitung, Hospitalstraße 12, um 1907. In: Württemberger Zeitung, Probenummer, vor dem 7.9.1907, S. 03.
Im Wikipedia-Artikel zur Württemberger Zeitung sind die Quellen der Zitate oben nachgewiesen.