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Typografie im Raum auf Ebene A3

Liebe und Hingabe bis in den Tod

„Ruf mich nicht zu dir in deine Mansarde,
denn ich werde dorthin kommen
und mir das Herz aus der Brust reißen.“

Ne m’appelle pas chez toi, dans ta mansarde,
puisque j’y viendrai !
Et je m’arracherai le cœur de la poitrine,…“

Linda Maria Baros

 

In diesem Gedicht der rumänischen Schriftstellerin Linda Maria Baros (1981-) wird der Beziehungskonflikt auf die äußerste Spitze getrieben, die Liebe wird in einer absoluten Grenzsituation beschrieben – bis hin zur Selbstzerstörung („mir das Herz aus der Brust reißen“). Liebe erscheint in der Form einer bedingungslosen Hingabe, die den Suizid miteinbezieht. Sie wirkt wie eine hochgiftige Substanz. Der Titel des Gedichts führt nicht ohne Grund Liebe und Zyanid (Blausäure) zusammen. Wenn jede der drei Strophen mit der Bitte anfängt „Ruf mich nicht zu dir“, dann angesichts der hier angedrohten fatalen Folge der Liebe. Mit der zum Teil drastischen bildhaften Darstellung der Selbstzerstörung wird die Geschlechterproblematik in exzessiver Weise veranschaulicht.

Die an der Sorbonne Nouvelle in Paris arbeitende Dozentin für Vergleichende Literaturwissenschaft ist zudem als Dichterin, Übersetzerin und Essayistin aktiv und hat bisher drei umfangreiche Gedichtsammlungen in Frankreich veröffentlicht. Das Gedicht „D’amour et de Cyanure“ erschien 2006 in dem Sammelband „La Maison en lames de rasoir“ (Das Haus aus Rasierklingen). Ein Jahr später wurde Linda Maria Baros mit dem Prix Guillaume Apollinaire ausgezeichnet und zählt seit Jahren zu den starken lyrischen Stimmen der französischen Gegenwartsliteratur.

 

Der Text ist Teil eines künstlerischen Projekts, welches die Württembergische Bibliotheksgesellschaft aus Anlass ihres Jubiläums in Auftrag gegeben hatte. Am 5. März 2024 wurde in der WLB die neue künstlerische Arbeit „Typografie im Raum“ als Geschenk ihres Fördervereins vorgestellt.

Die 16 typografischen Interventionen im Neubau greifen alltägliche Situationen und Grenzsituationen mit Stimmen aus der internationalen Weltliteratur auf. Ausgewählt wurden die Texte vom Philosophen Hannes Böhringer, künstlerisch umgesetzt vom Stuttgarter Büro Uebele.

Sie sind eine Fortschreibung der Arbeiten von Josua Reichert (aus dem Hauptgebäude) ins Zeitgenössische und Internationale. Im Rahmen einer Blogreihe werden diese Texte kurz vorgestellt. Als eine Kunst für Leserinnen und Leser können sie zum Nachdenken und zur weiteren Lektüre anregen.

aus: D’amour et de Cyanure = Die Liebe und das Zyanid / Linda Maria Baros

 

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