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Links: Romain Rolland auf dem Balkon seiner Wohnung in Paris im Jahr 1914 (Agence de presse Meurisse, Quelle: Wikimedia)
Rechts: Autograph, überschrieben mit Tous pour Torgler, von Romain Rolland (Quelle: Württembergische Landesbibliothek)

Romain Rolland über den Reichstagsbrandprozess

Eine Neuerwerbung der Bibliothek für Zeitgeschichte

Die Württembergische Landesbibliothek erwarb im Juni 2023 auf der Ludwigsburger Antiquariatsmesse ein bedeutendes zeitgeschichtliches Dokument aus der Feder des französischen Literaten und Literaturnobelpreisträgers Romain Rolland (1866-1944). Es handelt sich um ein eigenhändig verfasstes Manuskript mit dem Titel Tous pour Torgler zur Verteidigung des im Reichstagsbrandprozess angeklagten KPD-Politikers Ernst Torgler (1893-1963). Das Verfahren stieß im Ausland auf großes Interesse, was die umfangreiche Berichterstattung belegt. Im Vorfeld trat die sogenannte „Notverordnung“ in Kraft, unter deren Anwendung das NS-Regime tausende politische Gegner verhaften ließ.

Rolland schrieb im Dezember 1933 für die kommunistische französische Zeitung L’Humanité ein leidenschaftliches Plädoyer, in dem er die Befangenheit der Ankläger anprangerte und für die Unschuld von Ernst Torgler sowie der mitangeklagten bulgarischen Kommunisten Dimitroff, Popow und Tanew eintrat. Diese vier Männer standen neben dem mutmaßlichen Brandstifter Marinus van der Lubbe als Anstifter vor Gericht.

Der Artikel erschien am 22. Dezember 1933, einen Tag vor der Urteilsverkündung. Während das Gericht van der Lubbe wegen Hochverrats zum Tode verurteilte, wurden die vier Mitangeklagten freigesprochen. Trotzdem wurde Torgler nach dem Prozess in „Schutzhaft“ genommen und kam erst 1935 wieder frei. Da er sich den Behörden freiwillig gestellt hatte und von Alfons Sack, einem den Nationalsozialisten nahestehenden Anwalt, vor Gericht vertreten ließ, wurde er aus der KPD ausgeschlossen.

Romain Rolland war Zeit seines Lebens überzeugter Pazifist und pflegte gute Kontakte zu Kommunisten in ganz Europa und insbesondere in der Sowjetunion. Die Zeit des Zweiten Weltkriegs verbrachte er zurückgezogen im besetzten Teil Frankreichs. Vor seinem Tod im Dezember 1944 durfte er noch die Befreiung seines Heimatlandes von der nationalsozialistischen Herrschaft erleben.

Das Autograph (ein Blatt) befindet sich unter der Signatur N23.7 in der Sammlung der Bibliothek für Zeitgeschichte und ist bereits in den Digitalen Sammlungen der WLB verfügbar.

 

Weiterführende Informationen

Link zum Autographen in den Digitalen Sammlungen der WLB
Link zur Sammlung Bibliothek für Zeitgeschichte der WLB

Kontakt zur Bibliothek für Zeitgeschichte und Anmeldung zum Sonderlesesaal: bfz@wlb-stuttgart.de