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© Marcel Katz

Jazz ohne Grenzen – der Nachlass von Wolfgang Dauner geht an die Württembergische Landesbibliothek

Vor vier Jahren verstarb in Stuttgart Wolfgang Dauner, Pionier und zentrale Figur der deutschen Jazzszene. Nun erwirbt die Württembergische Landesbibliothek den künstlerischen Nachlass des Stuttgarters und engagiert sich für die Bewahrung und Vermittlung eines bislang sonst wenig beachteten Teil des kulturellen Erbes.

Die Erwerbung wurde gefördert aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie der Berthold Leibinger Stiftung, der Stiftung für Kunst und Kultur der Sparda-Bank Baden-Württemberg, der Kulturstiftung der Länder und der Ruprecht Stiftung (Ludwigsburg).

Als Wolfgang Dauner 1935 in Stuttgart-Bad Cannstatt geboren wurde, galt Jazz hierzulande noch als entartete Musik. Als Kind erhielt er zunächst Klavierunterricht im klassischen Repertoire. Doch nahm seine bemerkenswerte musikalische Neugier auch jenseits traditioneller Bahnen Gehörtes auf, improvisierte und experimentierte er sein Leben lang mit fremdem Material, anderen Spielweisen und neuen Klanggeräten und entwickelte dadurch sein eigenes Spiel weiter. Zu seinen Inspirationsquellen gehörten die Musik in den Clubs der amerikanischen Truppen, Radiobeiträge und auch außereuropäische Musik. So wurde Dauner nach Kriegsende zur zentralen Figur einer sich rasch entwickelnden Stuttgarter Jazzszene. 1963 gründete er das Wolfgang Dauner Trio, das europaweit auf Festivals auftrat und die Entwicklungen im Jazz über Deutschland hinaus mitbestimmte. Teil der Formation war Eberhard Weber am Bass, der erst kürzlich seinen künstlerischen Nachlass der Landesbibliothek übergeben hat.

Auch als Leiter der Radio-Jazz-Group des Süddeutschen Rundfunks trieb Dauner die Entwicklung des zeitgenössischen Jazz voran und war mitverantwortlich für bedeutende Produktionen europäischer Jazz-Größen. Er komponierte für Film und Fernsehen, Sinfonisches, eine Oper, brachte Jazz und Kirchenmusik zusammen, spielte mit Synthesizern und anderen elektronischen Musikinstrumenten, und er schuf Musik, die zugleich Kunst in einem viel weiteren Sinne ist: seine spektakulären Happenings fanden ein breites Echo, seine graphischen „Partituren“ sind noch wenig bekannt.

Den Jazz neu denken, jenseits der bloßen Imitation amerikanischer Vorbilder, jenseits des Zelebrierens von Personalstilen, das reizte Wolfgang Dauner auch in der Zusammenarbeit mit anderen international renommierten Musikern. Zu nennen ist hier insbesondere das United Jazz + Rock Ensemble, das seit den späten 70ern die Fusion-Entwicklung auch über Europa hinaus nachhaltig prägte. Die Verschmelzung verschiedener Stile, das Experimentieren mit Genregrenzen und die Integration elektronischer Instrumente wurden wegweisend und verhalfen dem Jazz zu einer Eigenständigkeit, die wenige Jahrzehnte zuvor undenkbar gewesen wäre.

Erworben wird von der Württembergischen Landesbibliothek nicht nur das komplette Studio mit Bösendorfer Flügel, Synthesizern, Musik-Abspielgeräten und Computern mehrerer Generationen. Den Kern des Nachlasses bilden die künstlerischen Ergebnisse von Dauners Schaffen: die Musikhandschriften seiner Werke und Skizzen, graphische Blätter, Ton- und Videoaufnahmen, ergänzt von Plakaten, Fotos und anderen Lebenszeugnissen, etwa der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg. Wolfgang Dauner war zugleich ein großer Organisator, Zeugnis hiervon sind beispielsweise die Unterlagen des Labels Mood Records, mit dem die Vermarktung des Jazz in eigene Hände genommen wurde.

Wissenschaftsministerin Petra Olschowski ist glücklich, durch die Erwerbung den Nachlass dieser charismatischen Persönlichkeit und dieses musikalischen Ausnahmetalents für Kultur und Wissenschaft dauerhaft sichern zu können. Der Direktor der Landesbibliothek ist froh, dass endlich der Jazz Platz unter den zahlreichen Nachlässen ihrer Sammlungen findet und Ausgangspunkt für weitere künstlerische Arbeiten, wissenschaftliche Studien oder Ausstellungen werden kann.

 

© Marcel Katz

Weiterführende Informationen

Bisher in der WLB verzeichnete Literatur von Wolfgang Dauner