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Blick ins Stefan George Archiv, März 2015. Foto: Larissa Arlt, WLB.

Eine kurze Geschichte
des Stefan George Archivs

Zu Beginn der 1930er Jahre plante Stefan George die Einrichtung einer Stiftung zur Vertretung seiner Urheberrechte mit Sitz in der Schweiz. Da juristische Probleme die Gründung im Ausland erschwerten, setzte George dann doch persönliche Erben ein: Robert Boehringer, als ersten Nacherben Berthold Schenk Graf Stauffenberg, dann in Folge Frank Mehnert und Claus Schenk Graf Stauffenberg. Testamentarische Aufforderung war die Gründung einer urheberrechtsvertretenden Stiftung und eines Archivs zu Lebenszeiten des Erben. Sie sollte erst 1959 umgesetzt werden.

Nach Stefan Georges Tod am 4. Dezember 1933 wurde der Nachlass des Dichters zunächst zu dessen Schwester Anna ins Binger Elternhaus überführt. Als Anna George 1940 verstarb, wurde sein Nachlass dann aufgeteilt: Robert Boehringer als testamentarischer Erbe nahm einen Teil in die Schweiz, Berthold Stauffenberg brachte einen weiteren im Familienschloss Lautlingen auf der Schwäbischen Alb unter, Mehnert verwahrte einen dritten bei Freunden in Überlingen am Bodensee. Der Lautlinger Nachlassteil fiel nach dem 20. Juli 1944 in die Hände der Gestapo. Dreck- und Stiefelspuren sind bis heute Merkmale dieses Bestandes, der der Vernichtung trotzdem entging. In einem Militärkoffer Berthold Stauffenbergs verwahrt, wurden die Papiere erstaunlicherweise nicht vernichtet, sondern im Sockel des Völkerschlachtdenkmals zwischengelagert, um von dort nach Ende der NS-Diktatur in die Universitätsbibliothek Leipzig zu gelangen. Einige Jahre nach der Teilung Deutschlands schaffte es Georges Erbe Boehringer, der seine designierten Nacherben überlebt hatte – Mehnert war 1944 gefallen, beide Brüder Stauffenberg nach dem Staatsstreichversuch vom NS-Staat exekutiert worden –, den Nachlassteil unter schwierigen Umständen aus der DDR in die Schweiz zu holen.

Als Boehringer in den 1950er Jahren die Einrichtung einer Stiftung als Trägerin des George Archivs in Aussicht nahm, warb Wilhelm Hoffmann, der nach Kriegsende eingesetzte Leitende Direktor der Württembergischen Landesbibliothek und Mitbegründer des Hölderlin-Archivs, für eine frühe öffentlich-private Kooperation: Das Stefan George Archiv begann seine Arbeit nach Gründung der George Stiftung als Trägerinstitution im Jahr 1959 zunächst als eine Art Unterabteilung des Hölderlin-Archivs in Bebenhausen. 1970 ziehen dann beide Archive nach Stuttgart und werden im Neubau der Landesbibliothek eigenständig. Wilhelm Hoffmann wird nach seinem Dienstende als Bibliotheksdirektor der WLB ehrenamtlicher Archivleiter. 1974, nach Robert Boehringers Tod, kommen auch die letzten noch in Genf verwahrten Archivalien dann nach Stuttgart. Als neun Jahre später überraschend die zuvor verschollen geglaubten Nachlassteile Georges aus dem Vorbesitz Frank Mehnerts, die im Keller eines Überlinger Hauses die Zeiten überdauert hatten, folgen, ist der Nachlass Georges als Zentrum der Sammlungen im StGA in der WLB wieder zusammengeführt. Nach dem Tod Wilhelm Hoffmanns im Jahr 1986 erhielt das Stefan George Archiv mit Ute Oelmann 1987 dann die erste hauptamtliche Archivleitung. Seit 2014 leitet Maik Bozza das Archiv.

Als öffentliche wissenschaftliche Institution ist das Stefan George Archiv in der Württembergischen Landesbibliothek mit seinen mehr als 130.000 Sammlungsstücken heute der zentrale Archivort der Forschung zu Stefan George und seinem literarischen, historischen und sozialen Umfeld.

 

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