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© WLB Stuttgart, Abb.: Satirische Todesanzeige auf das Sozialistengesetz in der Ausgabe vom 1. Oktober 1890 (links); aus der Jubiläumsausgabe vom 4. Oktober 1930 (mittig und rechts); mehrere Annoncen in eigener Sache, u.a. aus der Ausgabe vom 8. August 1907 (unten).

Jetzt digitalisiert: Schwäbische Tagwacht

Die Schwäbische Tagwacht war die einzige sozialdemokratische Tageszeitung in Stuttgart. Sie erschien ab dem 1. September 1890. Ihre Vorläufer konnten jeweils nur kurz erscheinen, bevor sie von der Obrigkeit verboten wurden. Mit dem 30. September 1890 aber lief das sogenannte Sozialistengesetz aus und im ganzen Deutschen Reich gründeten sich neue sozialdemokratische Zeitungen, unter ihnen auch die Schwäbische Tagwacht. In der Ausgabe vom 1. Oktober 1890 veröffentlichte die Schwäbische Tagwacht dann auch in satirischer Weise eine Todesanzeige auf das Sozialistengesetz.(1)

Die Schwäbische Tagwacht war lange Zeit die einzige sozialdemokratische Tageszeitung in ganz Württemberg, erst ab 1908 gab es entsprechende Zeitungen auch in anderen Orten. 1912 kamen die insgesamt sechs sozialdemokratischen Zeitungen Württembergs zusammen auf 48.000 Abonnenten. Produziert wurde die Zeitung im Verlag J.H.W. Dietz, der in erster Linie sozialistisches Schrifttum und vor allem die Satirezeitschrift Der Wahre Jacob herausgab. Jede Ausgabe umfasste den politischen Teil, einen Regionalteil und das Feuilleton. Die Zeitung erschien werktags um 14.00 Uhr.

In ihrer ersten Nummer gab sich die Zeitung kämpferisch: Das alleinige Ziel der Zeitung sei es, „mit allen zu Gebote stehenden gesetzlichen Mitteln die Befreiung der Arbeiter aus den Fesseln des Kapitalismus zu erwirken.“ Man kämpfe für „Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit“.(2) Die Themen waren stark sozialdemokratisch ausgerichtet, so berichtete schon die erste Ausgabe ausführlich von einer Lasalle-Feier in Stuttgart, am nächsten Tag folgte ein Bericht über den „Jahreskongress der britischen Gewerkvereine“ und zum großen „Internationalen Sozialistischen Kongress“ in Stuttgart brachte die Zeitung am 17. August 1907 eine umfangreiche Sonderausgabe heraus.(3) Auch in ihren Anfangsjahren musste die Zeitung weiterhin mit staatlichen Repressionen rechnen. Von den ersten sechs Redakteuren der Zeitung saßen alle mehr oder weniger lange im Gefängnis.

Verantwortlicher Redakteur war in den ersten Jahren der Journalist Wilhelm Eichhoff (1833–1895), der ein bewegtes Leben im Dienste der sozialdemokratischen Bewegung hinter sich hatte. Er war in den 1850er Jahren nach London geflohen, wo er Karl Marx persönlich kennenlernte. 1866 amnestiert kehrte er nach Deutschland zurück und wurde später Redakteur der Schwäbischen Tagwacht. Nach seinem Tod wurde Wilhelm Keil (1870–1968) 1896 in die Redaktion geholt, der von 1902 bis 1930 die Zeitung leitete.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten war die Zeitung immer stärkeren Angriffen ausgesetzt. Am 11. März 1933 erfolgte dann das Verbot sämtlicher SPD-Zeitungen in Württemberg, nachdem die dortigen KPD-nahen Zeitungen schon vorher verboten worden waren. In ihrem typischen durchgehend diffamierenden Tonfall schrieb die Zeitung Stuttgarter NS-Kurier: „Damit ist der ‚Schwäbischen Tagwacht‘, der ‚Neckarpost‘ und wie die sozialdemokratischen Schandblätter alle heißen mögen, ‚bis auf weiteres‘ das Handwerk gelegt. eine Maßnahme, die im ganzen württembergischen Volke einen freudigen Widerhall finden wird.“ (4) Die Grundlage für das Verbot bot – scheinbar legal – die „Verordnung des des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“, die sogenannte „Reichstagsbrandverordnung“ vom 28. Februar 1933, mit der für die Dauer der gesamten NS-Herrschaft die Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erschien die Zeitung ab 1949 wieder unter dem Titel AZ – Württembergische Abendzeitung, 1951 änderte sich der Titel in AZ – Allgemeine Zeitung für Württemberg. Sie stellte 1962 ihr Erscheinen ein.

Die Württembergische Landesbibliothek hat nun ihre – leider mitunter Lücken aufweisenden – Bestände der Schwäbischen Tagwacht digitalisiert. Sie sind in den Digitalen Sammlungen frei abrufbar.

 

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Literatur zum Thema

Anmerkungen