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Foto Eric Carle: Privat. / Abbildungen der beiden Werke Eric Carles: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart.

Eric Carle – Ein Künstler für Kinder, „Picturewriter“ und Brückenbauer

Eric Carle, einer der erfolgreichsten Kinderbuchautoren unserer Zeit, ist tot. 91jährig verstarb er am 23. Mai 2021 in seinem Studio in Northampton (Massachusetts). Sein bekanntestes Werk ist „Die kleine Raupe Nimmersatt“, die er 1969 schuf. Das Kinderbuch wurde in mehr als 70 Sprachen übersetzt und verkaufte sich über 50 Millionen Mal. Generationen von Kindern in aller Welt hat die kleine Raupe Nimmersatt begleitet. Wer aber weiß, dass diese gefräßige Raupe ihre Wurzeln in Stuttgart hat und einer Stuttgarterin gewidmet ist?

Am 25. Juni 1929 in Syracuse (New York) geboren, zog Carle 1935 mit seinen aus Stuttgart stammenden Eltern in deren Heimat. Hier verbrachte er seine – von den Nazis geprägte – Schulzeit, an die er sich zeitlebens mit Grauen erinnerte, und studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste. Sein Kunstlehrer Krauss am Feuerbacher Gymnasium zeigte ihm – heimlich – Zeitschriften mit verbotener expressionistischer Kunst, was ihm eine völlig neue Welt der Farben und Formen eröffnete. An der Kunstakademie durchlief er bereits als 16jähriger mit Sondergenehmigung der Mutter die strenge Schule von Professor Schneidler. Beiden Persönlichkeiten blieb Carle lebenslang dankbar verbunden.

Sicherlich am prägendsten aber war sein Vater, der ihm die Freude am Zeichnen und das Interesse an der Natur vermittelte. Auf Spaziergängen um Schloß Solitude drehten die beiden Steine um, hoben Blätter auf und betrachteten Käfer, Spinnen, Grillen und Mäuse, die Jahrzehnte später Protagonisten von Carles Bilderbüchern werden sollten. Sein Onkel August beeindruckte ihn als Sonntagsmaler und Betreiber der „Denkmaschine“ und seine Tante Mina verwöhnte ihn mit Leckereien, an die er sich in der „Raupe Nimmersatt“ erinnerte. Als von der Lebensmittelknappheit betroffenes Kriegskind griff er gerne Themen auf, die sich ums Essen drehten. „Pancakes, Pancakes“  widmete er seiner Mutter, „Walter the Baker“ seinem Onkel Walter, Bäckermeister in Feuerbach.

Carles Erfolg – weltweit wird alle 30 Sekunden eines seiner Bücher verkauft – beruhte auch auf seinem großem Engagement bei Lesereisen, als Brückenbauer zwischen den Sprachen und Kulturen sowie seinem Einsatz für Kinder, bei dem ihm seine Frau Barbara unterstützte. Gemeinsam eröffneten sie 2002 das Eric Carle Museum of Picture Book Art in Amherst (Massachusetts).

2005 gelang der Württembergischen Landesbibliothek eine erste große Eric-Carle-Ausstellung mit dem Titel „Ein Künstler für Kinder“, zu deren Gelingen viele beigetragen haben. Allen voran Christa Bareis-Carle, die jüngere Schwester Carles, die bei Stuttgart lebt und der die kleine Raupe gewidmet ist, des Weiteren sein ehemaliger Verleger, der Gerstenberg Verlag, Penguin Books, die Kunstakademie, das Amerika Haus und viele private Leihgeber. Eric Carle, der unverhofft und kurz entschlossen anreiste, meinte, dies sei die persönlichste ihm geltende Ausstellung. Seine Rede begann er mit „Im Grunde meines Herzens bin ich immer ein Schwabe geblieben“. Staatssekretär Rudolf Böhmler verlieh ihm die Staufermedaille in Gold des Landes Baden-Württemberg und Gregor Hübner, Violinist und Professor für Jazzkomposition aus Stuttgart und New York, führte seine Komposition zu Carles Bilderbuch „I see a song – Ich hab die Geige klingen sehn“ erstmals auf – später neu aufgelegt als Jahresgabe der Württembergischen Bibliotheksgesellschaft.

Die Ausstellung war eine der erfolgreichsten der Landesbibliothek und wurde u.a. auch in der Deutschen Bibliothek in Leipzig und Frankfurt am Main gezeigt. 2009 war der 80. Geburtstag von Eric Carle und der 40. der kleinen Raupe Nimmersatt erneut Anlass für eine Ausstellung. Auch sie ein voller Erfolg mit vielen Führungen und Lesungen unter Beteiligung von Christa Bareis-Carle. Der Künstler selbst nahm regen Anteil an den Vorbereitungen. Er widmete und überließ der Landesbibliothek vier seiner wunderschönen Werke.

Wir erinnern uns an einen großartigen und großzügigen Künstler, der uns Farben und Freude schenkte, und eine außergewöhnliche, liebenswürdige, den Menschen zugewandte Persönlichkeit.

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