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Fotos (Mauer- und Stolpersteine): Luciën G.A. Krapels Schram

Restitution eines Buches an eine Enkelin von Louis Lamm

Vor einigen Monaten erhielt die Württembergische Landesbibliothek eine Mail aus den Niederlanden. Ein Herr erzählte, er habe Kontakt zu einer Enkelin von Louis Lamm und wir hätten doch ein Buch aus dem Besitz von Louis Lamm gefunden. In der Tat! Dieses Buch war bei der Suche nach NS-Raubgut in den Beständen der WLB aufgefallen. Von 2016 bis 2019 lief dieses Projekt, das vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert wurde. Im Rahmen dieses Projekts wurden über 100.000 Bände nach Merkmalen von Vorbesitzer:innen durchsucht. Ziel war immer die Rückgabe von Bänden an ihre jeweiligen Vorbesitzer oder Vorbesitzerinnen, wenn deutlich war, dass die Bücher verfolgungsbedingt entzogen worden waren. Aber an wen konnten wir die Bücher zurückgeben? Die wirklichen Vorbesitzer:innen zu identifizieren war sehr schwierig und gelang in nur wenigen Fällen. Noch viel schwieriger war es dann jedoch, eventuelle Erb:innen ausfindig zu machen.

Zu Louis Lamm selbst konnten wir damals schon relativ viele Angaben ermitteln: Er wurde 1871 in Wittelshofen geboren und wuchs in Buttenwiesen, später in Frankfurt a.M. auf. Er arbeitete als Buchhändler, Antiquar und Verleger und war jüdischen Glaubens. Ab 1903 betrieb Lamm eine eigene Buchhandlung mit Antiquariat, spezialisiert auf jüdische Literatur. Er verfasste auch mehrere eigene Schriften zur jüdischen Geschichte.

Anfang Dezember 1933 musste Lamm in die Niederlande emigrieren, dort konnte er sein Antiquariat im Haus Amstel 3 in Amsterdam fortführen. Nach der Besetzung durch die Deutschen kam Lamm in das sogenannte Durchgangslager Westerbork, 1943 wurde er ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und dort zusammen mit seiner Tochter ermordet. Lamms Bücher wurden anschließend geplündert.

Zwei der drei Kinder von Louis Lamm konnten schon zuvor nach Palästina emigrieren: Die Tochter Hannah (* 1907) und der Sohn Heinrich Ismar (* 1935). Nachdem unsere eigenen Bemühungen bislang ergebnislos gewesen waren, hatten wir nun dank unseres Mail-Kontaktes endlich eine Verbindung zu den Nachkommen von Louis Lamm. Man war auf die WLB aufmerksam geworden, weil in Amsterdam die Verlegung von Stolpersteinen für Louis Lamm und seine Tochter geplant wurde. Am 16. Dezember 2021 wurden die beiden Stolpersteine verlegt und bei dieser Gelegenheit konnte unser „Mittelsmann“ das Buch an die Familie übergeben. Aufgrund der Pandemie konnte leider niemand aus der WLB bei dieser Veranstaltung dabei sein.

Die Württembergische Landesbibliothek ist sehr froh, dass somit ein weiteres Buch an die rechtmäßigen Erb:innen zurückgegeben werden konnte, das sich zu Unrecht jahrzehntelang in ihrem Bestand befunden hatte.

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