Ausstellungseröffnung: Fantastische Welten – Kartographie des Unbekannten
Fantasie ist das, was dazu neigt, real zu werden.
L’imaginaire est ce qui tend à devenir réel.
André Breton, Le revolver à cheveux blancs, 1932
Die längste Zeit der Geschichte wussten die Menschen wenig über die Welt jenseits ihres unmittelbaren Lebensraums. Zwar gab es bereits in der Antike erstaunliche Erkenntnisse im Bereich der Astronomie und Geographie, doch während des Mittelalters geriet vieles davon wieder in Vergessenheit. Und so strebten die mittelalterlichen Weltkarten weniger geographische Genauigkeit an, sondern vermittelten ein religiös-teleologisches Weltbild. Jenseits der bekannten Welt schmückten mythologische Figuren die Landkarten. Im Anderswo lag das Land der Wunder und der fabelhaften Wesen.
In der Renaissance entdeckte man nicht nur die antiken Texte, wie Ptolemäus’ Geographia wieder, sondern auch die neue Welt. Es begann eine Zeit großer Forschungsreisen und der Kolonialisierung. Neben wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen spielten dabei auch Abenteuerlust und die Sehnsucht nach dem Unbekannten eine Rolle, die sich nicht selten aus Fantasie und Träumen speisten: Von den Leerstellen auf den Karten angezogen, halfen die Pioniere diese zu füllen.
In dieser Ära der großen Entdeckungen erfanden Gerhard Mercator und Abraham Ortelius die moderne Kartographie. Man strebte danach, die sich verschiebenden Konturen einer sich entfaltenden Welt auf der Landkarte zu fixieren. In Ermangelung genauer Informationen wurden dabei Hypothesen aufgestellt, hinterfragt und wieder verworfen: Kalifornien löste sich vom amerikanischen Kontinent, Korea schwamm als Insel vor der Küste Japans und die tatsächliche Lage der Pole wurde erst im Laufe einer langen Geschichte verifiziert. Die Eroberung der Welt durch ihre Kartierung führte Reisende in großen Schritten von einer symbolischen Interpretation der Welt zu einer mathematischen Beherrschung des Raumes. Erkundungen und Entdeckungen halfen, die Unzulänglichkeiten der frühen Karten zu korrigieren.
Ebenso wie die Karte Welten abbildet, kann sie diese auch erst erschaffen. Sie macht Papierwelten möglich und plausibel. Durch die Jahrhunderte hindurch begleitet die Karte literarische Fiktionen. Von der antiken Odyssee über Dantes Göttliche Komödie bis zu den Reiseromanen der Neuzeit schlagen sich diese Abenteuer immer auch in Karten nieder. Jules Verne wiederum ließ sich bei der Erfindung seiner außergewöhnlichen Reisen von der geographischen Wissenschaft der damaligen Zeit beeinflussen und mit Tolkiens Entwurf von Mittelerde wurde die Karte schließlich zum Topos der modernen Fantasy-Literatur. Dabei erweist sich die Karte als der kürzeste Weg zur Fiktion.
Das Erstellen einer Karte ist ebenso eine Frage der wissenschaftlichen Arbeit wie ein kreativer Akt, und so verwendet die Kunst die Karte für ihre eigenen Zwecke: Werke nehmen Gestalt an, die miteinander in Dialog treten, sich gegenseitig konfrontieren oder in Frage stellen. Die künstlerische Karte verdichtet die vielfältigen Formen der Erinnerung und transkribiert kartographische Daten in eine bewegte Form. Die Künstler stören unsere Orientierungspunkte – unsere Vorstellungskraft überbrückt die Distanz.
So spannt die Ausstellung, die auf der Ausstellung „Hors du monde. La carte et l’imaginaire“ der Bibliothèque Nationale et Universitaire in Straßburg beruht, den Bogen von mythologischen Vorstellungen der Welt über deren Entdeckung und Kartierung bis hin zur Transformation der Karte in Literatur und Kunst. Gezeigt werden neben besonderen Schmuckstücken aus den Beständen der beiden Partnerbibliotheken auch Reproduktionen ausgewählter Werke moderner Kunst.
Die Karte und das Land entstehen gemeinsam. Fantastische Welten. Kartographie des Unbekannten erzählt die Geschichte eines fortlaufenden Dialogs. Die Ausstellung ist vom 4. August bis 3. Oktober in der WLB zu sehen.
Dienstag, 3. August 2021, 18 Uhr, Hybrid-Veranstaltung
Eröffnung der Ausstellung „Fantastische Welten – Kartographie des Unbekannten“
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Hybrid-Veranstaltung
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