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Fotos: Rafael Glatzel, WLB Stuttgart

Hölderlin. Bilder – Klänge – VerDichtung

Wer am 27. Oktober am Abend in der Landesbibliothek verweilte, konnte vielleicht aus Richtung des Vortragssaals expressive Saxophonklänge wahrnehmen. Sie waren Teil einer eindrucksvollen, intermedialen Live-Performance, die unter dem Titel „Hölderlin. Bilder – Klänge – VerDichtung“ als zweite Veranstaltung des Begleitprogramms zur großen Jubiläums-Ausstellung dargeboten wurde. Wie schon der Titel verspricht, ging es hier um das Ineinanderfließen von Text, Malerei und Musik. Die Malerei erforderte umfangreiche Vorbereitungen und Umgestaltungen des Podestes. Das sorgfältig ausgelegte Malervlies schützte die Fläche vor den herunterfließenden Acrylfarben. Staffeleien, Holzgestelle und ein Tisch vor dem Podest prägten das aufwendige Bühnenbild.

Das Innovative und Experimentelle trat bei dieser Veranstaltung des „Literatursommers 2020“ klar in den Vordergrund. Das Motto des Literatursommers in diesem Jahr ist den großen Jubilaren Hölderlin und Hegel gewidmet: ‚Hölderlin und Hegel. 250 Jahre Sprache und Vision‘. Die Sprache verbindet sich in dieser Performance unmittelbar mit künstlerischen und musikalischen Elementen, die besondere Wirkungskraft wird durch die variantenreichen Kombinationsmöglichkeiten von Rezitation, Malerei und Musik erzielt.

Insbesondere die Turmgedichte des späten Hölderlins („Nicht alle Tage“, „Das fröhliche Leben“, „Der Kirchhof“) bilden die Basis für die Entstehung der ersten Bilder. Zentrales Motiv ihrer Entstehung soll die Natur sein als stiller Ort der Ruhe („Der Kirchhof“), als Ort der Liebe („Hymne an die Liebe“) und des Wachstums bzw. allbelebender Kraft („An eine Rose“). An die Seite der festen, beständigen Natur („Ihr sichergebaueten Alpen…“) tritt der Mensch mit seinen Selbstzweifeln. Die verlorene Ganzheitlichkeit wird durch die Scheltrede aus dem ‚Hyperion‘ („So kam ich unter die Deutschen“) veranschaulicht, der Natur wird die Barbarei gegenübergestellt. Die Hoffnung auf eine Rückkehr zu einer neuen Einheit des Menschen mit der Natur („An die Hoffnung“), versinnbildlicht durch das Emporziehen des mittleren Bildes auf das imposante, altarhafte Holzgestell in der Mitte des Podests, währt nur kurz. Es tritt – in starkem Kontrast zum schöpferischen Moment des ersten Teils – die zerstörerische Kraft hervor, welche in der Performance in drastischer Weise vorgeführt wird: Die Bilder an den Seiten werden verhüllt, indem sie mit schwarzer bzw. weißer Farbe übermalt werden, das mittlere Bild zerrissen. Begleitet wird dies von ekstatischen Klängen. Doch bleibt am Ende ein Hoffnungsschimmer, ein Neubeginn: Die schwarze und weiße Farbe werden teilweise wieder entfernt, die lebendige Natur in ihren Farben enthüllt sich und schimmert unter der Oberfläche hervor.

Den Künstlern (Musik: Werner Englert; Malerei: Katharina Hoehler; Rezitation, Dramaturgie: Dieter E. Neuhaus) gelingt es, diesen Prozess gleichermaßen sinnlich und akustisch eindrucksvoll mit vielen Überraschungsmomenten vorzuführen. Bewusst werden dabei konventionelle Grenzen der Rezitation gesprengt. Hölderlins Sprache zeigt sich im Wechselspiel mit einer breiten Palette an Farben sowie Klängen aus verschiedenen Instrumenten. Kommen im ersten Teil noch verschiedene Flöten zum Einsatz, dominiert später das Saxophon. Wie die Texte, Bilder und Klänge effektvoll in Interaktion zum Publikum gebracht werden, verrät Kreativität und Freude an Hölderlins Dichtung. Umso erfreulicher ist es, dass diese bemerkenswerte Performance gerade noch vor dem erneuten ‚kulturellen Lockdown‘ stattfinden konnte.

 

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