WLB Blog · Württembergische Landesbibliothek · Wissen teilen
WLB Blog

Der Hochwächter | Der Beobachter

1830, im Jahr der Julirevolution in Frankreich, erschien eine neue Zeitung in Stuttgart: Der Hochwächter. Der aus dem Mittelalter stammende Begriff „Ho(c)hwacht“ bezeichnete einen höher gelegenen militärischen Beobachtungsposten, von dem aus man bei Gefahr Alarm geben konnte. So verstand sich auch – im übertragenen Sinne – die neue Zeitung. Als Symbol hierfür fand sich der Turm der Stuttgarter Stiftskirche im Zeitungskopf wieder. Am 1. Dezember 1830 wurde die erste Ausgabe veröffentlicht. Die Zeitung erschien zunächst sechs Mal in der Woche: montags bis freitags und sonntags.

Gegründet wurde die Zeitung von Friedrich Rödinger (1800–1868) und Gottlob Tafel (1801–1874), die 1825 wegen „burschenschaftlicher Umtriebe“ mehrere Jahre lang auf dem Hohenasperg inhaftiert worden waren. Leitender Redakteur wurde Rudolf Lohbauer (1802–1873), der 1832 als Festredner auf dem Hambacher Fest auftrat. Die Zeitung wies somit starke demokratische Züge auf und war das erste Blatt dieser Art in Süddeutschland.

In ihren Anfängen hatte die Zeitung mit der Zensur zu kämpfen. Die Zensur war 1817 in Württemberg aufgehoben worden, 1819 wurde sie jedoch nach den Karlsbader Beschlüssen wieder eingeführt und in der Folge immer schärfer ausgeübt. Lohbauer machte die zensierten Stellen verbotenerweise durch unbedruckte Abschnitte deutlich und ging sogar noch weiter: Im August 1832 veröffentlichte er sämtliche zensierten bzw. gestrichenen Zeitungs-Beiträge in einem eigenen Buch unter dem Titel Der Hochwächter ohne Censur, in dem er sämtliche gestrichenen Stellen in chronologischer Reihenfolge auflistete und den vormals zensierten Text ergänzte – als genaues Zitat oder als Paraphrase. Außerdem fügte er eigene, oft spöttische Kommentare hinzu. Das Buch wurde verboten und beschlagnahmt. Vor der drohenden Verhaftung floh Lohbauer nach Straßburg und später in die Schweiz.

Mit dem 15. Januar 1833 stellte der Hochwächter schon wieder sein Erscheinen ein, da ihm die Konzession entzogen worden war. Über Umwege konnten die Herausgeber aber erreichen, dass die Zeitung ab dem 16. Januar 1833 unter dem Titel Der Beobachter weiter erscheinen konnte.

Auch in den folgenden Jahren kritisierte die Zeitung die Zustände in Württemberg weiter. Der Literaturhistoriker und Redakteur Theodor Klaiber (1870–1921) nannte den Beobachter 1920 in einem Aufsatz daher auch „öffentlicher Ankläger“ und „Landesbeschwerdebuch“. Insgesamt hatte die Zeitung großen Einfluss auf das geistige Leben in Württemberg. Dazu trugen in erster Linie die Redakteure und Beiträger des Blattes bei, wie zum Beispiel Karl Mayer (1819–1889), der in Folge der Revolution von 1848/49 wegen Hochverrats verurteilt wurde und deshalb ebenfalls in die Schweiz fliehen musste. Nach der Amnestie 1863 kehrte er nach Stuttgart zurück und war bis 1870 Chefredakteur der Zeitung.

Am Anfang der Weimarer Republik wurde Der Beobachter dann das Parteiblatt der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Bald darauf wurde die Zeitung nur noch als Wochenschrift weitergeführt. Ausschlaggebend hierfür waren zum einen wirtschaftliche Gründe, man vermisste daneben aber auch den Elan der eigenen politischen Anhänger, um nach dem verlorenen Weltkrieg einen neuen demokratischen Staat aufzubauen.

 

Zu den Digitalisaten