Das Private vor Gericht – Verhandlungen des Eigenen in der nationalsozialistischen Rechtspraxis

Das Gericht ist die Bühne der Offenlegung und Vermessung von Privatheit. Nirgends treffen Privatangelegenheiten und öffentliche Gewalt so unmittelbar aufeinander wie dort. Das galt insbesondere für das „Dritte Reich“: Die Realität der „Volksgemeinschaft“ wurde vor Gericht verhandelt. Juristische Ermittlungen und Entscheidungen konnten Privaträume einschränken, zerstören – oder gewähren.

Dr. Annemone Christians-Bernsee gibt Einblicke darin, wie das NS-Rechtssystem mit Privatheit und Selbstbestimmung umging. Wie sah der juristische Entscheidungsprozess aus, wenn „Eigennutz“ auf „Gemeinnutz“ traf? In den Verfahren an Amts- und Landgerichten über Ehescheidungen, Mietstreitigkeiten, Eigentumszwiste und Pfändungen loteten Richter, Anwälte und Rechtsuchende täglich aus, welches Eigeninteresse Recht bekam und wie viel Autonomie im „totalen Staat“ möglich war. Im Zivilrecht gestand das Regime den „Volksgenossen“ durchaus private Rückzugsräume zu, doch im (Sonder-)Strafrecht verschob es die Grenzen zwischen einer privaten und einer öffentlichen Sphäre radikal.

Dr. Annemone Christians-Bernsee ist seit Januar 2021 stellvertretende Direktorin des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln. Zuvor arbeitete sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neueste Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität im DFG-Forschungsprojekt Das EUREKA-Projekt. Europäische Forschungs- und Technologiepolitik zwischen Kooperation und Konkurrenz. Sie promovierte an der LMU mit einer Arbeit über das städtische Gesundheitswesen Münchens während der Zeit des Nationalsozialismus. 2020 erschien ihre Publikation Das Private vor Gericht. Verhandlungen des Eigenen im Zivil- und Strafrecht 1933-1945.

Donnerstag, 24. Februar 2022, 18 Uhr, Online-Veranstaltung
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